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An die Töpfe, fertig, los!

Küchenleiter Stefan Plake arbeitet seit 20 Jahren im Senioren-Zentrum St. Josefshaus in Rheine. Wer ihn einmal in seinem Refugium erleben durfte weiß: Hier wirbelt ein leidenschaftlicher Koch voller Ideen und Tatendrang. Ihm liegt das leibliche Wohl der Bewohnerinnen und Bewohner sehr am Herzen. Stefan Plake serviert lieber kunstvoll angerichtete Kanapees als langweiliges Leberwurst-Brot und war maßgeblich an der Einführung des Programms  „Natürlich gut kochen – weil`s einfach besser schmeckt“ beteiligt.

Die Bewerbung

In den ersten Monaten des Jahres 1999  las meine Frau ein Stelleninserat des St. Josefshauses in der Tageszeitung. „Bewirb´ Dich doch dort“, sagte sie.  In einem Altenheim??? Das entsprach damals so gar nicht meinen Vorstellungen. Nach meiner Ausbildung und acht Jahren bei der Bundeswehr war ich in einem Feinschmeckerlokal angestellt und kochte zusammen mit meinem damaligen Chef auf Sterneniveau.

Doch die Vorteile die die Stelle mit sich bringen würde, ließen sich nicht wegdiskutieren. Wir hatten zwei kleine Kinder – ich musste an Wochenenden und Feiertagen jedoch stets arbeiten. Also dachte ich: „Was soll`s, dann bewerbe ich mich halt.“ Die gewünschten beruflichen Qualifikationen brachte ich allesamt mit: Eine Ausbildung zum Koch, die Zusatzqualifikation „Diätkoch“ und der Meister wurden erwartet.

Auf die Schnelle erstellte ich eine Bewerbung erstellt – heute würde man sagen, dass diese eher „zusammengeschustert“ war. Das Anschreiben verfasste ich auf einem Blatt aus dem Collegeblock ( das war wirklich so ) – handschriftlich natürlich. Alle erforderlichen Zeugnisse wurden schnell im Copyshop kopiert. Ach herrlich war die analoge Welt. Die Bewerbung wurde eingetütet und ich gab´ sie – nach einem Anruf beim damaligen Heimleiter Herr Samberg – persönlich im St. Josefshaus ab. Den Abgabetermin hatte ich schon überschritten.

Herr Samberg, der mit seinen letzten vor Ort arbeitenden Mitarbeitern in Rheine mitten in einer Baustelle saß – die Bewohner waren aufgrund einer Komplettrenovierung in einen Nachbarort ausquartiert worden – hatte an diesem Tag wohl etwas Zeit und zeigte mir gleich die ganze Einrichtung, also im Rohbau.

Ich hab mich übrigens extra „schick“ gemacht. Ein Altenheim, ein kirchlicher Träger und Ordensschwestern – da konnte ein, für meine Verhältnisse, spießiges Auftreten nicht schaden.  Lange Rede kurzer Sinn, ich konnte mich gegenüber den zahlreichen Mitbewerbern in den persönlichen Vorstellungsgesprächen durchsetzen und bekam die Stelle.

Kleine Anekdote am Rand: Herr Samberg sprach mir die Zusage auf den Anrufbeantworter. Sinngemäß mit den Worten: „Herr Plake, wenn Sie noch wollen, machen wir den Deal!“ Das war echt so, heute ist das kaum vorstellbar.

Der Anfang

Am 2. Mai 1999 hatte ich also meinen ersten Arbeitstag. Die Kolleginnen hatten seit einigen Tagen eine neue Küche in Betrieb genommen. Eingearbeitet wurde ich von Niemandem. Meine Vorgängerin, eine Ordensschwester, war nicht mehr im Dienst. Das war dann mal ein Einstieg: Bestellungen, Speisepläne, Abläufe.  Jeder wusste irgendwie alles und keiner wusste es so ganz genau. Also machte ich mein eigenes Ding. Im Nachhinein war das für mich ein Riesenvorteil, denn ich übernahm keine eingefahrenen Gewohnheiten und musste mir selbst meinen Platz suchen. Das hat ganz gut geklappt.

Im Groben sah das Ganze damals so aus:

  • Es gab ein Menü.
  • Das passierte Essen war eine braune Pampe: Alle Zutaten zusammen in den Küchenmixer und fertig.
  • Diabetiker durften keine Butter essen und auch sonst keine Freude am Essen haben.
  • Und ganz wichtig: Es gab, wie im Krankenhaus, ein Tablettsystem mit Bewohnerkarten. Somit bekam jeder Bewohner und jede Bewohnerin wirklich jeden Tag das gleiche Essen – bis zum letzten Tag.
  • Das Abendbrot wurde ab 15:00 Uhr bei uns in der Großküche zubereitet und auf Tabletts den Bewohnern zugeordnet. Im Hochsommer keine gute Idee.

Die weiteren Jahre

Wenn ich mich richtig erinnere, war die erste wichtige Änderung, dass ich die passierte Kost optimiert habe. Es gab dann zumindest drei erkennbare Lebensmittel, immer noch als „Häufchen“ angerichtet, aber immerhin ein Anfang.

Nach einiger Zeit wurde anschließend in kleinen Schritten ein zweites Menü eingeführt. Erst etablierten wir eine zweite Hauptkomponente. Heute gibt es auf dem Speiseplan zwei verschiedene Menüs zur Auswahl.

Darüber hinaus habe ich mit meiner Kollegin, die damals die Hauswirtschaftsleitung vertreten hat, die Festkultur auf ein wirklich neues Level gehoben. Wir haben viel mehr verschiedene Angebote und wesentlich bessere Abläufe.

In den folgenden Jahren habe ich das Tablettsystem abgeschafft und angeregt, eine Bandspülmaschine zu beschaffen. Was wir dann auch getan haben. Das hatte zur Folge, dass ich zwei volle Stellen auf die Wohnbereiche abgeben konnte und das Früh- und Abendbrot seitdem vor Ort zubereitet wird. Dies war damals auch im Sinne von Herrn Reitnauer, unserem damaligen Bereichsleiter.

Nochmal bezugnehmend auf die oben schon angesprochenen Bewohnerkarten. Hier hatten wir folgendes Erlebnis:

Bewohnerin Frau Müller (Name geändert) wollte laut der Essenkarte jeden Morgen und jeden Abend genau zwei Scheiben Graubrot mit Butter. sonst nichts. Das haben wir dann auch brav jeden Tag – ca. sechs Jahre lang so gemacht. Da gab es – auch auf Nachfragen – nichts dran zu rütteln. Mit der Abschaffung des Tablettsystems wurde also an einem Montagmorgen den Bewohnern ein Brotkorb mit einer Aufschnittplatte auf den Tisch gestellt. Und was macht Fr. Müller? Sie nimmt sich doch glatt ein Brötchen und Aufschnitt. Eine Frechheit, uns so lange im Dunkeln über ihre Wünsche zu lassen.

Die Systemumstellung hat sich also schon am ersten Tag voll ausgezahlt. Es ist einfach super, wenn ein Plan so funktioniert.

Im Jahr 2006 machte ich die Weiterbildung zum „Fachwirt im Gastgewerbe“. Seit 2015 darf ich mich Einkaufsleiter Altenhilfe nennen, um mehr Struktur und Regelmäßigkeiten in die verschiedenen Einrichtungen zu bringen.

Hier haben meine Kollegen, die Küchenleiter aus den anderen Einrichtungen, und ich schon einiges erreicht, unter anderem:

  • Wir haben ein einheitliches Speiseplanlayout
  • Eine umfassende Rezeptdatenbank
  • Wir haben das Programm „Natürlich gut kochen – weil`s einfach besser schmeckt“ eingeführt
  • Eine einheitliche Produktqualität
  • Wir treffen uns regelmäßige auf Tagungen, die ich organisieren und durchführen darf
  • Und aktuell arbeiten wir daran, die passierte Kost auf ein besseres Niveau zu bringen – hierbei sind wir auf einem guten Weg

Wenn es dann gewünscht oder nötig wird, reise ich auch gerne in andere Einrichtungen, um meine geschätzten Küchenleiter-Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen. Oft kann der unvoreingenommene Blick einer dritten Person durchaus hilfreich sein. Insgesamt hat sich in den letzten Jahren ein wirklich tolles Miteinander unter den Küchenleitern entwickelt, daher mein Dank an alle Beteiligten.

Jetzt nach zwanzig Jahren kann ich sagen, dass sich die Bewohner/-innen eigentlich kaum verändert haben. Zumindest, was ihr Essverhalten angeht. Die Verweildauer wird jedoch immer kürzer. Die Ein- und Auszüge immer mehr. Wir bleiben immer achtsam und geben uns stets Mühe, das Beste zu tun.

In dieser Woche verabschiede ich eine geschätzte Kollegin, die nach 51 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand geht. Eine Nachfolgerin ist gefunden: Es ist eine von uns selbst ausgebildete Hauswirtschafterin, die einst als 1-Euro-Jobberin bei uns tätig war.  Eine schöne Sache, wie ich finde. Es geht also weiter, die nächste Generation rückt nach.

An alle Kollegen und Kolleginnen aus den Küchen kann nur appellieren: Die Pflege wird immer im Mittelpunkt stehen, sie ist der Motor der Einrichtung. Aber wir sind die Extraausstattung und Visitenkarte des Hauses.

Manchmal frage ich mich, wie es wohl für mich ohne die Anstellung im Altenheim weiter gegangen wäre? Doch dann sage ich mir: Aber warum eigentlich? Wen interessiert`s? Ich habe mich dafür entschieden und es bis heute nicht bereut! Wenn alles gut läuft, wird der Deutsche Orden mich nicht mehr los, und ich bleibe bis zum beruflichen Ende.

Stefan Plake

Mehr Informationen über das St. Josefshaus in Rheine erhalten Sie hier: www.altenheim-rheine.de